Der Mensch stammt vom Affen ab, oder?

 

Man sagt, der Mensch stamme vom Affen ab. Natürlich stimmt das so nicht, aber man sagt das, wenn man auf “niedere Instinkte” von Menschen hinweisen will. Grundsätzlich ist der Mensch ja ein entwicklungsfähiges Wesen, aber haben Sie sich schon einmal Gedanken über diese Entwicklung gemacht? Also wo beginnt diese Entwicklung und wohin geht sie?


Drei Stufen der Entwicklung
Es gibt drei Entwicklungsstufen des Menschen und nicht jeder hat das Glück (oder die Geduld), alle durchlaufen zu können. Die Entwicklung ist kontinuierlich und läuft teilweise auch parallel ab. Die ersten beiden Stufen sind den meisten Menschen bekannt:

  • die biologistische oder animalische Stufe,

  • die rationale oder geistige Stufe und

  • die Stufe des Bewusstseins bzw. der Bewusstseinsentwicklung

Ein “Rückfall” ist meistens möglich und auch häufig, sobald die Umstände passen. Man sagt dann, dass einen etwas getriggert hat. Die gute Nachricht ist aber, dass solche Rückfälle im Laufe der Zeit, wenn man sich also kontinuierlich weiterentwickelt, schwieriger und seltener werden oder zumindest kleiner und kürzer ausfallen. Während ein Rückfall von der zweiten Stufe relativ leicht ist, und auch in unserer Welt alltäglich vorkommt, so wird es doch von der dritten Stufe aus immer schwieriger, auf die zweite oder gar auf die erste Stufe zurückzufallen. Es kommt natürlich auch vor, kann aber benutzt werden, um die eigenen Trigger besser kennenzulernen und den Rückfall zur Weiterentwicklung zu nutzen.


Einschnitt in der Menschheitsgeschichte
Der Beginn der Aufklärung im 18. Jahrhundert brachte den Sieg des Verstandes, den Glauben an die Vernunft und ein Ende des animalischen und dunklen Mittelalter mit sich. Und bis heute sind wir davon überzeugt, „aufgeklärte Wesen“ zu sein.

Wir glauben, unser biologistisches Erbe überwunden zu haben und als rationale Wesen ein weitgehend rationales Leben zu führen. Klar, jede/r hat Instinkte, Bauchgefühl und Triebe, aber wir wissen, wie wir über diese Ebene hinaus gehen können. Sigmund Freud sagte schon „Wo ES ist, soll ICH werden“. Er meint damit, dass das Dunkel unseres Unterbewussten mit allen uns unbekannten Trieben und Instinkten, unserer entwickelten Persönlichkeit, die von der Ratio gesteuert wird, weichen soll. Oft genug gebietet es die Vernunft, nicht auf unsere Instinkte und unser Bauchgefühl zu hören, sondern sich zu „beherrschen“ (also der Geist soll die Triebe beherrschen) und rationale Entscheidungen zu treffen. Und nur allzu oft scheint es besser zu sein, unseren Trieben nicht nachzugeben, sondern sich vernünftig und sozial verträglich zu benehmen. So weit, so gut, aber wie sieht die Realität aus? Ist es nicht so, dass allzu oft die Triebe den Geist beherrschen? Und wie leicht „kippt“ das System?


Immer der Nase lang
Nun, in der Realität scheint es oft so, als ob das mit der Ratio ein Wunschdenken ist. Letzten Endes gibt es sehr viele Lebensbereiche, in denen wir entweder nach „Bauchgefühl“ handeln oder sehr schnell in „alte Ur-Instinkte“ zurückfallen. Hier sind ein paar Beispiele:

  • Eine finnische Studie von 2004 zeigte auf, dass Männer erkennen können, ob eine Frau gerade einen Eisprung hat oder nicht (Frauen können es übrigens nicht). Das läuft natürlich weder über den Verstand ab noch ist es einem bewusst, sondern über den Geruch: Frauen riechen für Männer während ihrer fruchtbaren Phase attraktiver und intensiver. Wenn sie allerdings die Pille nehmen, dann gibt es diesen Attraktivitäts-Peak nicht.

    In der Studie wurde Männern und Frauen eine Geruchsprobe der getragenen T-Shirts von Frauen vorgelegt. In dem durchaus beeindruckenden Resultat der Studie sieht es so aus, als ob so manch ein Mann einem Kokain schnuppernden Zollhund Konkurrenz machen könnte.

    Kuukasjärvi S, Eriksson CJP, Koskela E: Attractiveness of women's body odors over the menstrual cycle: the role of oral contraceptives and receiver sex. Behavioral Ecology, Vol 15/4, July 2004

    Riechen ist so archaisch, das konnten bereits unsere Vorfahren, als sie noch Schuppen hatten und gerade aus dem Meer an Land gekrabbelt sind. Der Geruchssinn ist nicht nur äußerst alt, sondern hat gleich mehrere Besonderheiten: er ist unglaublich direkt, d.h. die elektrische Meldung der Geruchswahrnehmung geht direkt und nahezu ohne weitere Verarbeitung in das Gehirn und er ist eng mit den Emotionen verknüpft, da er unter anderem mit dem limbischen System verschaltet wird. Und wir drücken ja auch in der Sprache aus, dass wir „jemanden nicht riechen können“ oder dass „es uns stinkt“.

  • Eine andere Studie hat aufgezeigt, dass Stripperinnen während ihrer fruchtbaren Tage bis zu USD 150,- mehr Trinkgeld pro Tag verdienen. Tänzerinnen, die die Pille einnahmen, hatten diesen Peak übrigens nicht. Der “richtige” Geruch hat also sehr praktische und sogar monetäre Konsequenzen.

    Miller G, Tybur JM, Jordan BD: vulatory cycle effects on tip earnings by lap dancers: economic evidence for human estrus? Evolution and Human Behavior Vol 28/6, November 2007

Biologisch gesehen macht das alles natürlich völlig Sinn. Allerdings läuft dieser Mechanismus unbewusst ab. Glauben Sie immer noch, dass die Partnerwahl geschieht, nur weil man die gleichen Hobbys hat oder den Humor des anderen mag? Vielleicht ist die Partnerwahl viel eher eine Konsequenz der „passenden Chemie“, hier allerdings im exakten Sinne des Wortes. Und möglicherweise ist das die Ursache dafür, dass dann alles andere passt oder passend gemacht wird.
Auf jeden Fall ist ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Partnerwahl (unbewusst) unserer Biologie geschuldet.


Gib dem Affen Zucker
In der westlichen Welt sind wir stolz darauf, vernünftig und gesittet zu sein. Dazu gibt es viele Regeln und Gesetze, die wir ja auch befolgen. Na ja, meistens jedenfalls.
Um den Straßenverkehr in Deutschland zu regeln, braucht es über 1000 verschiedene Verkehrszeichen, und 20 Millionen davon sind auf Deutschlands Straßen aufgestellt. All diese Regeln und Regelungen können leider nicht verhindern, dass es trotzdem immer wieder zu Unstimmigkeiten und unterschiedlichen Ansichten über einzelne Situationen kommt. Streiten im Straßenverkehr ist weit verbreitet, der gewisse halb-anonyme Faktor scheint Hemmungen leichter fallen zu lassen.

Gemäß der UDV Deutschland (Unfallforschung der Versicherer), nehmen Aggressionen im deutschen Straßenverkehr sogar zu. Genaue Zahlen sind allerdings schwer zu finden.
Die Organisation AAA (das ADAC Pendant in den USA) berichtet über zunehmendes Auftreten von Verkehrsrowdytum („road rage“):
80 % der Fahrer haben mindestens einmal Wut, Aggression oder Rowdytum am Steuer im vergangenen Jahr gezeigt. Unfassbare 5.7 Millionen Fahrer im Jahr benutzten ihr Fahrzeug als Waffe und rammten oder fuhren auf ein anderes Fahrzeug absichtlich auf.
AAA Foundation for Traffic Safety: Prevalence of Self-Reported Aggressive Driving Behavior: United States, 2016

Nun, da helfen keine Regeln. Das Problem liegt offensichtlich woanders. Angesichts solcher Zahlen erscheint die menschliche Vernunft eher wie eine hauchdünne Fassade, die beim geringsten Kratzer schon ordentlich zu bröckeln scheint.


Was kann man tun?
Das alles sind nur ein paar kleine Beispiele, warum wir Menschen nicht wirklich so rationale Wesen sind, wie wir gerne behaupten. Wir können es sein, aber der Schalter von der rational-geistigen Stufe zurück zur biologistisch-animalistischen Stufe wird nur allzu leicht umgelegt. Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind, denn sobald Bewusstsein ins Spiel kommt, sind wir diesem Mechanismus nicht mehr komplett ausgeliefert.

Wie ich bereits in diesem Blog erwähnt habe: Wenn wir mit dem Finger auf jemanden zeigen, dann zeigen zeitgleich 3 Finger auf uns selbst. Es ist leicht über die Idioten am Steuer zu schimpfen, oftmals ist es eher so wie der Ausspruch „Ein Geisterfahrer? Hunderte!“. Es ist auch leicht, triebgesteuerte Menschen zu belächeln oder zu verurteilen.
Die Kernfrage lautet immer: Und wie ist es mit mir? Wut ist ja nicht per se etwas Schlechtes, aber wenn ich im Straßenverkehr jemanden mit dichtem Auffahren gefährde, dann schon. Also Hand aufs Herz – wie ist das bei Ihnen? Auch Sexualität ist etwas Gesundes, aber habe ich schon einmal anderen Menschen damit geschadet? Hand aufs Herz, Männer – hätten Sie etwas Persönliches zur #Meetoo Debatte beizusteuern?

Es geht nicht darum, sich kleinzumachen, sondern nur darum, Bewusstsein in Ihr eigenes Leben zu bringen. Je mehr sie bei sich selbst erkennen können (auch im Kleinen), desto eher können Sie andere Menschen zumindest verstehen und vielleicht sogar selber zum Denken anregen.
Und wie kommt jetzt Bewusstsein ins Spiel? Nur auf rationalem Wege allein kann ich das Problem nicht lösen, da ja die Ratio ein Teil des Problems selber ist. Deshalb gibt es nur einen Weg: Meditation. Meditation bringt Licht ins Dunkel des Unterbewusstseins und lässt uns in der Entwicklungsstufe reifen in Richtung der dritten und höchsten Stufe. 

 
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