9/11, Spritzen und die Kraft des Unterbewussten

 

Das Unterbewusstsein ist der am meisten unterschätzte und missachtete Anteil unseres Daseins als Mensch. Viele Menschen kennen das Gleichnis: wie ein Eisberg liegt der größte Teil des menschlichen Bewusstseins im Verborgeneren – gleichsam unter Wasser –, wir sind uns dessen nicht bewusst, empfinden, handeln und entscheiden also oftmals ohne die wahren Gründe dafür zu kennen und meistens wollen wir diese auch gar nicht wirklich kennenlernen. Das Problem: wir sind dadurch unfrei und die Türen zu Manipulation sind sperrangelweit offen, ohne dass wir es merken.

Wenn dann Stress hinzukommt, das Gefühl unter Druck zu sein, dann verschärft sich dieses Phänomen noch einmal. Unter Druck neigen Menschen dazu, noch mehr auf alte Muster, die in Ihrem Unterbewusstsein gespeichert sind, zurückzugreifen. Das macht natürlich insofern Sinn, als man unter Druck gar keine Zeit hat, sich in Ruhe hinzusetzen und mal nachzudenken. Diese alten Muster können angeborene Programme sein – Kampf- oder Fluchtreflex – oder auch frühkindlich antrainierte Reaktionsmuster. In beiden Fällen ist uns völlig unbewusst, warum wir in dieser Weise gehandelt haben. 

Flugangst und Straßenverkehr

Ein besonders beeindruckendes Beispiel für die unglaubliche Kraft des Unterbewussten ist der Terrorangriff im Jahre 2001 auf die USA, bei dem ca. 3000 Menschen getötet wurden. Als 9/11 hat sich dieser Tag tief in das Bewusstsein der meisten Menschen auf der Welt eingebrannt – in ihr Bewusstsein, aber auch ihr Unterbewusstes. Die politischen Konsequenzen daraus wirken bis heute nach.

Weniger bekannt ist allerdings, dass in den 12 Monaten, die dem Terrorangriff folgten, weitere 1600 Menschen verstarben – und zwar aufgrund der Kraft Ihres Unterbewussten, in Form ihrer Angst. Unmittelbar auf 9/11 hin entwickelten viele Menschen eine ausgeprägte Flugangst. In einem Land der Größe der USA hatte das eine enorme Auswirkung. Wenngleich die Angst absolut verständlich und nachvollziehbar ist, so bleibt sie jedoch völlig irrational. Das Flugzeug ist und bleibt das mit Abstand sicherste Verkehrsmittel, daran ändert kein einzelner Flugzeugabsturz etwas, nicht einmal das, was am 9/11 – also innerhalb eines einzigen Tages passierte. Angst vorm Fliegen bewirkte, dass viele Menschen ihr Auto vermehrt benutzten und damit ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen verursachten. Mehr Verkehrsaufkommen verursacht mehr Unfälle und das bedeutet mehr Verkehrstote.

In einer Aufsehen erregenden Studie konnte nachgewiesen werden, dass sich in den 12 Monaten, die auf 9/11 folgten, die Anzahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr um 1600 erhöhte. Eine unfassbare Zahl als Resultat irrationalen Handelns. Ein negatives Beispiel für die Kraft des Unterbewussten zugegebenermaßen, aber ein sehr besonders eindrucksvolles. 

(Gaissmaier, W. & Gigerenzer, G. (2012): 9/11, Act II: A Fine-Grained Analysis of Regional Variations in Traffic Fatalities in the Aftermath of the Terrorist Attacks, Psychol Sci 23(12):1449-54)

Achtung, eine Nadel!

Hier ist noch ein völlig anderes Beispiel, wie ausgeprägt die Kraft unseres Unterbewussten ist, wie sehr sie unsere Wahrnehmung bestimmt und obendrein, wie leicht wir dadurch manipulierbar sind. Es geht dabei um die Schmerzwahrnehmung durch einen Nadelstich im Rahmen einer Blutabnahme. 

Man hat bei einer täglichen Routinehandlung – der Blutabnahme – genau 100 Patienten in 2 Gruppen geteilt und befragt (alle jung und gesund, Männer/Frauen gleiche Anzahl). Die eine Gruppe wurde unmittelbar vor dem Stich mit dem Wort „Stich“ (sting) gewarnt, die andere Gruppe mit dem Wort „Vorsicht“ (beware). Danach wurden alle befragt, wie schmerzhaft die Prozedur war, und zwar auf der sogenannten Schmerzskala von 0 bis 10. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die mit „Stich“ gewarnt worden waren, selbigen auch signifikant schmerzhafter wahrgenommen haben (2,7 vs. 1,9). 

Zur Erläuterung: Der Unterschied ist nicht sonderlich groß, das ist aber auch bei einer normalen Blutabnahme, die im Allgemeinen nicht sehr schmerzhaft ist, nicht zu erwarten. Aber es ist unglaublich beeindruckend, dass das sogenannte Signifikanzniveau dieser Studie sehr hoch ist, was bedeutet, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass dieser Unterschied tatsächlich vorhanden war und nicht nur rein zufällig. Meistens braucht man wesentlich mehr Probanden in einer klinischen Studie, um das zu erreichen. 

Diese Empfänglichkeit der meisten Menschen für solche Suggestionen macht man sich übrigens in der Anwendung von Hypnose zunutze. 

(Ott J, Aust S (2012): An everyday phrase may harm your patients: the influence of negative words on pain during venous blood sampling. Clin J Pain 28(4):324-8)

Ratio und Meditation

Der Mensch ist also nicht nur ein zur Vernunft befähigtes Wesen, sondern trotzdem oftmals irrational, unlogisch und leicht manipulierbar, wenn er aus seinem Unterbewusstsein heraus wahrnimmt, entscheidet und handelt. Der einzige Weg, um da herauszukommen und zu mehr Freiheit ist Meditation. Diese hilft uns, unser Bewusstsein zu steigern und uns aus dem Dunkel des Unterbewussten zu emanzipieren. 

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