“Hüte dich vor der Katze”

 

Der weltliche Alltag, der uns jeden Tag begleitet, bestimmt unser Leben in einem ausgeprägten Maße. Jede/r kennt das: Man hat ein Auto, das ist komfortabel, aber es fordert auch viel Aufwand, also Zeit und Geld (Kaufpreis/Wertverlust, monatliche Rate, Versicherung, Reparaturen, Reifen, Werkstattbesuche usw.). Man hat eine Wohnung oder ein Haus und möchte es sich so schön und gemütlich wie möglich machen, aber auch das kostet Zeit und Geld (Kaufpreis, monatliche Raten, Strom/Gas/Wasser, Putzen, Ausstattung, Reparaturen). Und wenn das Haus einen Garten hat, dann ist da noch mehr Arbeit.

Dieser Aufwand – Zeit und Geld – ist uns oftmals gar nicht so bewusst. Wir nehmen es als gegeben hin und beklagen uns, dass so viel zu tun ist und alles so stressig ist – und andererseits gehen wir davon aus, dass das Leben nun einmal so ist. Aber wenn wir uns einmal wirklich bewusst machen, woher der Stress kommt, dann könnten wir uns auch überlegen, ob das wirklich so sein muss. Muss ich wirklich so viel Stress haben, damit ich mir eine Wohnung/ein Haus in dieser Größe („Gegenpol zum Stress“) leisten kann? Muss ich wirklich so viel arbeiten, damit ich einen exklusiven Urlaub haben kann (als „Belohnung für die viele Arbeit“)?

Notärztin am Limit und eine vielbeschäftigte Familie 
Wie beispielsweise bei der Notärztin, die auch an unserer Station Dienste machte. Sie besaß 2 Wohnungen und 1 Haus und hat alle 3 selber auch wirklich bewohnt! Dafür hat sie (mithilfe eines Tricks) jegliche Maximalzeiten, die man als Notarzt Dienst machen darf, um Lichtjahre überschritten, denn sie brauchte natürlich das Geld. Und sie brauchte auch Geld, um das Kindermädchen für ihre 3 Kinder zu bezahlen, für die sie – als Alleinerziehende, die fast durchgehend in der Arbeit ist - natürlich fast keine Zeit hatte. Soweit ich das sehen konnte, gab es für sie so gut wie kein Privatleben. 
Oder bei der Familie eines Studienkollegen, bei denen ich für ein paar Tage eingeladen war. Die Familie hatte einige Autos, ein Haus und ein Boot. In den paar Tagen, in denen ich auf Besuch war, erinnere ich mich an kein einziges Gespräch, bei dem es nicht um diese Dinge ging: Inspektion und Reparatur eines Autos, das Boot musste gewartet und eingewintert werden und im Haus gab es Reparaturen, um die man sich kümmern musste. Alles nichts Schlimmes, aber es hat eben das gesamte Leben der Familie bestimmt und so ging es von morgens bis abends. 

Osho, ein indischer Mystiker und Meditationslehrer, erzählt augenzwinkernd eine herrliche Geschichte über einen Mönch – also jemanden, der dem weltlichen Leben entsagt hat – der mit genau diesen Problemen konfrontiert wird. „Die Ratten lauern überall“. 

Bitte missverstehen Sie mich nicht. Ich will nicht, dass Sie der Welt entsagen und keineswegs, dass Sie spartanisch leben. Ich selber liebe „das weltliche Leben“ und verwöhne mich selber auch gerne, wann immer möglich und habe es gerne bequem in meinem Leben. Es geht hier nur um die Frage, wie sehr man in diesem weltlichen Leben verstrickt ist, den Regeln und Pflichten, die es mit sich bringt, „ausgeliefert“. Betrachten Sie doch einmal Ihr gegenwärtiges Leben für einen Augenblick durch diese Brille. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Weg, wie Sie es sich einfacher machen können, indem Sie unnötigen Ballast reduzieren.

Die Geschichte: Hüte dich vor der Katze
„Ein großer Meister lag im Sterben. Er ließ seinen Lieblingsschüler rufen und flüsterte ihm ins Ohr: merke dir eines, lass niemals eine Katze ins Haus und damit starb er. 

Was sollte diese Botschaft...? Lass niemals eine Katze ins Haus. Und dafür hast du mich rufen lassen? Der Schüler erkundigte sich bei ein paar älteren Leuten, was für eine Bewandtnis es damit haben könnte. Möglicherweise ist es eine verschlüsselte Botschaft? Warum sollte er das sonst sagen? Und er starb ohne jede Erklärung. Ich wollte ihn noch fragen, was hast du gegen Katzen? Nach deinem ganzen langen Leben ist das der letzte Schluss aus all der Disziplin, den Dehnübungen und den Schriften der Gelehrsamkeit: lass keine Katze ins Haus!? 

Ein alter Mann sagte, ich weiß, was das soll. Das ist die Botschaft, die ihm sein eigener Meister auch gegeben hat. Denn sein Meister geriet wegen einer Katze in große Schwierigkeiten. Der alte Meister hatte außerhalb des Dorfes gelebt. Er besaß nur zwei... Das lässt sich schlecht übersetzen, weil es das in eurer Sprache nicht gibt. Ihr habt Unterwäsche, aber in Indien haben sie Langotti, das ist ein langer Stoffstreifen, den man mit ein wenig Übung um sich herum wickelt und der als Unterwäsche dient - als einziges Stück Unterwäsche für einen Mönch. Er hatte nur 2 Stück als ‚einzige Wäsche‘, das ist meine Übersetzung für Langotti, und das Problem war, dass es da ein paar Ratten gab, die ihm seine einzige Wäsche kaputt machten. 

Er fragte jemandem aus dem Dorf, was soll ich nur mit diesen Ratten anfangen? Sie sind sehr schlau. Der Mann sagte, das ist ganz einfach: im Dorf halten wir uns dafür eine Katze. Halte dir eine Katze, ich bringe dir eine Katze! Sie wird diesen Ratten den Garaus machen und so wird deine einzige Wäsche gerettet. Der alte Meister sagte, das ist eine einfache Lösung. Man brachte ihm die Katze. Sie machte gute Arbeit und räumte unter den Ratten auf. 

Doch das Problem war, dass, nachdem alle Ratten tot waren, die Katze hungrig war und Milch brauchte. Sie setzte sich immer vor den Mönch und wenn Katzen hungrig sind, sehen sie wirklich armselig aus. Sie hatte ihre Arbeit getan und ohne etwas zu sagen, sagte sie, ich habe deine ganze Arbeit erledigt - die Ratten sind alle tot, aber jetzt bin ich hungrig. Der alte Meister fragte wieder, was soll ich jetzt tun? Diese Katze sitzt vor mir und schaut mich mit hungrigen Augen an, gib mir etwas zu fressen, sonst verschwinde ich und die Ratten kommen wieder. Das sagt sie nicht, aber ihren Augen kann ich ablesen, dass sie das verlangt. Ich brauche Milch. 

Der Mann sagte, du wirst jeden Tag Milch brauchen, darum gebe ich dir meine Kuh. Ich habe viele Kühe, du kannst eine davon haben. Er nahm also die Kuh, aber seine Probleme wurden nicht weniger, jetzt brauchte die Kuh Gras. 

Er ging wieder in den Ort und die Ortsbewohner sagten, du bist ein seltsamer Kerl. Ein Problem nach dem anderen, Probleme über Probleme. Warum fängst du nicht an, um deine Hütte herum etwas anzubauen, dort liegt so viel Land brach. Wir geben dir Samen, hier nimm die Samen und baue etwas an. Das wird auch dir guttun, dann hast du etwas zu essen und die Kuh auch. 

Also begann der Arme ein paar Samen zu sähen. Doch nun gab es große Probleme, nun musste die Ernte geschnitten werden. Und er war doch ein Mönch, er war nicht dafür bestimmt all diese Dinge zu tun. Aber nun führte eines zum anderen. Er ging wieder ins Dorf und sagte, das ist schwierig, ich brauche das Getreide , es muss das Getreide geschnitten werden und ich habe kein Werkzeug, ich brauche Helfer. Die Leute sagten, hör zu, wir sind es müde ständig deine Klagen zu hören, du bist zu nichts zu gebrauchen, für nichts kannst du eine Lösung finden. Müssen wir denn alles für dich regeln? Es gibt eine einfache Lösung: da ist eine Frau, die ist Witwe geworden und sie ist sehr tüchtig. Sie kann sich um alles kümmern, um dich, deine Kuh, deine Ernte, deine Küche, alles, die Katze, die Ratten ... Sie ist eine sehr erfahrene Frau. 

Aber ich bin ein Mönch, sagte er. Sie sagten, vergiss doch das Ganze und was bist du überhaupt für ein Mönch? Du hast eine Katze, eine Kuh, eine Ernte und hältst dich für einen Mönch! Vergiss es. Außerdem wäre eine Ehe mit dieser Frau ohnehin nur eine Scheinehe, du brauchst mit ihr überhaupt keine Beziehung zu haben. Aber sie ist arm und in Schwierigkeiten und du bist auch in Schwierigkeiten, also wäre es doch gut, wenn ihr euch zusammen tut. 

Da sagte der Mönch, das stimmt, wenn es nur eine formale Sache ist, dann schadet es nicht. Mein Meister hat auch nie etwas dagegen gesagt. Er sagte nur, heirate nicht, aber ich heirate ja nicht wirklich. Es ist nur zum Schein für das Dorf, damit keiner etwas dagegen sagen kann, dass ich mit einer Frau zusammen lebe. Ich kann sagen, sie sei meine Frau, aber ich muss nicht wirklich ihr Ehemann sein und sie muss auch nicht meine Ehefrau sein. Er redete mit der Frau und die Frau sagte, ich habe kein Interesse an einem Ehemann, einer hat mir genügt. Aber ich bin in Schwierigkeiten und du bist auch in Schwierigkeiten, das passt doch gut, wir können einander helfen. So heirateten sie. 

Nun wurden die Dinge immer mehr... Manchmal war er krank und die Frau massierte ihm die Füße. Nach und nach fing er an, die Frau zu mögen. Ein Mann ist schließlich ein Mann und eine Frau ist schließlich eine Frau. Die Frau fing an, den Mann zu mögen. Sie fühlten sich beide einsam. In den kalten Winternächten wartete jeder darauf, dass einer sagte, es ist so kalt, warum können wir nicht zusammenrücken? Schließlich sagte die Frau, hier ist es so kalt. Der Mönch sagte, mir ist es auch so kalt. Die Frau sagte, dir fehlt offenbar jeder Mumm. Er sagte, das stimmt. Komm du her, mir fehlt der Mumm. Ich bin nur ein armer Mönch und du bist eine erfahrene Frau. Komm her zu mir. Zusammen haben wir es wärmer. Natürlich war es wärmer. 

Und damit ging sein ganzes Mönch-sein den Bach runter. Und als er starb, sagt er zu seinen Schülern, lasst niemals eine Katze bei euch wohnen. 

„Aber was soll man machen? Wenn du einmal gefallen bist, dann bist du gefallen, es ist sehr schwer, wieder aufzusteigen. Er dachte oft daran, wieder der Welt zu entsagen, aber er dachte sich, wozu? Diese Ratten sind überall. Und dieselbe Geschichte wird wieder anfangen. Es ist wohl besser, still zu sein.““

(Aus: Osho: The Buddha - The Emptiness of the Heart)

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