Was ist Meditation (nicht)?

 

Meditation ist in aller Munde, selbst als Nicht-Meditierer hört oder liest man fast jeden Tag etwas darüber.

Erst letzte Woche wurde ich von einer neuen Klientin danach gefragt. Sie meinte, dass das aber sicher nichts für sie sei, denn sie könne keinesfalls still sitzen und dabei nichts denken. Meine Güte, was für ein hoher Anspruch! Ich antwortete ihr, dass nichts zu denken nicht das Ziel von Meditation sei und abgesehen davon, so etwas kann man vielleicht nach mehreren Jahren Meditations-Erfahrung.

Was ist also Meditation, wenn nicht „nichts denken“ und wofür brauchen wir so etwas überhaupt?

Zunächst einmal: Meditation ist mittlerweile ein wissenschaftliches Phänomen. Wenn sie „Meditation“ bspw. auf PubMed, einer öffentlichen, wissenschaftlichen Datenbank eingeben, dann werden sie mehr als 8000 Einträge finden, die fast alle in den letzten 50 Jahren veröffentlicht wurden. Die Idee, dass das also nur Mönche im Kloster tun, ist definitiv obsolet.

Die jüngere Geschichte von Meditation

Vieles hat zu dieser Entwicklung beigetragen, aber im Folgenden liste ich 3 spezielle Ereignisse auf, die Meditation von einem religiös-spirituellem zu einem mondän-wissenschaftlichen Phänomen gemacht haben:

Chinas Expansionspolitik

Seit der Besetzung Tibets durch China im Jahre 1950 fliehen (immer noch) viele Tibeter ins Ausland. Einige von ihnen bleiben dann in Nepal und Indien, einige ziehen auch weiter in andere Länder dieser Welt. Dieser Exodus war und ist ein Desaster für das Land Tibet und seine ursprüngliche Kultur.

Andererseits aber brachten und bringen immer noch viele der Geflüchteten ihre Religion und auch Meditation in die Welt. So unrecht die Invasion ist, so schmerzhaft es für die Tibeter ist, für die Welt ist dieser Aspekt der Invasion ein Segen.

Oshos Lehren über Meditation

Im Jahre 1981 wurde die OSHO Kommune in Oregon/USA gegründet, das Ziel war inneres Wachstum und Spiritualität im Alltag zu leben. Osho, ein indischer Mystiker und Meditationslehrer hatte eine enorme Anziehungskraft auf westliche Therapeut:innen verschiedenster Richtungen. Diese folgten ihm schon in den Jahren zuvor in seine Kommune in Pune/Indien. Sie erkannten, dass seine Lehren über Meditation eine perfekte Ergänzung zu den Lehren der humanistischen Psychologie sind.

Als Folge krimineller Aktivitäten einer Clique von Führungspersonen innerhalb der Kommune und der - unrechtmäßigen – Ausweisung Oshos aus den USA durch die Regierung brach die Kommune im Jahre 1985 zusammen, die Therapeut:innen zog es wieder in die Welt hinaus. Viele von ihnen hatten das schon früher getan, sich also Inspirationen bei Osho geholt und dieses dann in ihre Arbeit in ihrer Heimat einfließen lassen, jetzt mussten ihnen alle restlichen Therapeut:innen folgen. Sie ließen sich nieder, gründeten Praxen, Institute und Meditationszentren.

Als Folge von Oshos Bemühen ist es mittlerweile nahezu selbstverständlich, dass Meditation vom Anhang der Religion befreit wurde und mittlerweile sogar ein Teil von vielen Therapien ist.

Untersuchungen zum Weißkittel-Syndrom

In den späten 60ern des letzten Jahrhunderts interessierte sich der junge Kardiologe Herbert Benson von der Harvard Medical School für das Weißkittel-Syndrom.

Das ist, wenn Menschen mit einem normalen Blutdruck selbigen in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus gemessen bekommen. Eine unbewusste Stressreaktion auf die Umgebung bewirkt, dass der Blutdruck in die Höhe schnellt.

Meiner eigenen Mutter bspw. habe ich eingebläut, dass sie nie wieder in so einer Situation ein Blutdruck-senkendes Medikament akzeptieren darf. Ihr ist es passiert, dass der gemessene Blutdruck in so einem Moment sehr hoch war. Die behandelnde Ärztin hat so einen Schrecken bekommen, dass sie mit Medikamenten den Blutdruck meiner Mutter massiv gesenkt hat. Und dieser ging es später total schlecht: Schwindel, schwarz vor Augen, beinahe kollabiert.

Was ist passiert? Sobald aber der Stress des Patienten dann vorbei ist, würde der Blutdruck ja wieder von selber heruntergehen. Zusammen aber mit den massiv Blutdruck-senkenden Medikamenten ist das eine sehr gefährliche Mischung, denn diese senken dann den bereits normalen Blutdruck noch weiter.

Zurück zu dem Arzt Herbert Benson. Er interessierte sich für dieses Phänomen und forschte an Affen und brachte ihnen bei, ihren Blutdruck aktiv zu senken. Dabei entdeckte und erforschte er deren „Entspannungsreaktion“. Eine Gruppe von Meditierern hat das irgendwie mitbekommen und sie drängten ihn, doch mit der Forschung an ihnen fortzufahren, da sie ja Entspannungs-Experten seien. Diese Meditationsgruppe kam aus der TM Richtung („Transzendentale Meditation“), aber das spielt hier eine untergeordnete Rolle.

Heute gilt Herbert Benson - gemeinsam mit Jon Kabat-Zinn, dem Erfinder von MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) – als Begründer der modernen „Body-Mind Medizin“.

Meditation in der schulmedizinischen Welt

In 2013 hat die AHA (American Heart Association) dann sogar einige Meditationstechniken als ergänzende Behandlung von Bluthochdruck in die offiziellen Empfehlungen übernommen. Sie haben Bluthochdruck und haben davon noch nie gehört? Dann „stupsen“ Sie doch einmal Ihren behandelnden Arzt diesbezüglich an …. ist ja immerhin schon neun Jahre her.

Natürlich gibt es noch andere Ereignisse und unzählige andere Pioniere, die dazu beigetragen haben, dass Meditation heute ein wissenschaftliches Phänomen ist und nichts mit esoterischem Blödsinn zu tun hat.

Aber was ist Meditation denn nun?

Die einfachste Definition lautet: Meditation ist die Präsenz im Hier und Jetzt. So einfach? Ja, so einfach. Wenn unsere Gedankenwelt immer lauter und immer aufgedrehter wird, dann ist das der Verstand, der immer schwerer zur Ruhe kommt. Aber der Verstand ist nie im Hier und Jetzt, das geht nicht. Ein Gedanke bezieht sich immer auf die Vergangenheit, die Zukunft (oder einen anderen Ort). Er bezieht sich niemals auf DIESEN Augenblick – und wenn er versucht, das zu tun, dann ist der eigentliche Augenblick, bis wir ihn gedacht haben, bereits vorbei. Wenn ich denke „Ich bin gerade glücklich“, dann ist es eben dieser Umweg über die Gedanken, der mich wieder aus dem Hier und Jetzt herausbringt. Wenn ich glücklich BIN, dann brauche ich keinen Gedanken dafür.

Probieren Sie einmal ganz bewusst den Unterschied aus, einen schönen Moment wie einen Sonnenuntergang nur zu genießen oder der Versuchung, ihn zu fotografieren und vielleicht sogar zu posten, nachzugeben.

Meditation – Zustand und Technik

Das bringt uns auch auf die Frage nach einer bestimmten Meditationstechnik. Meditation ist ein Zustand (eben der Zustand der Präsenz im Hier und Jetzt), oftmals meinen wir aber eine bestimmte Tätigkeit, also „ich meditiere“. Und letzteres bezieht sich auf eine bestimmte Technik: TM, MBSR, OSHO Aktive Meditation, Zazen, verschiedene Atemmeditationen

Wenn aber Meditation ein Zustand ist und nicht so sehr eine Technik, dann kann eben ALLES zur Meditation werden: Tee trinken, Sex oder Kochen. Wenn Sie jetzt sagen, dass sie diese Dinge ohnehin tun, dann würde Ihnen ein erleuchteter Meditationsmeister wahrscheinlich erwidern: „Du trinkst nicht Tee, sondern denkst bereits an deinen nächsten Termin, anstatt Sex mit deiner/m Partner:in zu haben, laufen in deinem Kopf pornografische Filme und anstatt zu kochen, denkst du darüber nach, was während des Tages passiert ist. Tee, Sex und Kochen – das alles läuft im Hintergrund automatisch ab, wie bei einem Roboter.“

Meditation macht gesund und glücklich

Im Hier und Jetzt zu sein ist ebenso simpel wie schwierig zugleich. Eine sehr interessante Studie hat ergeben, dass, wenn wir im Hier und Jetzt sind – also genau bei dem sind, was wir gerade tun – dass wir dann glücklicher sind. Und das zählt doch, oder?
Killingsworth MA, Gilbert DT. A wandering mind is an unhappy mind. Science. 2010

Aber vielleicht sind ja für Sie die anderen tausenden von Studien wichtiger, in denen aufgezeigt wurde, wie sehr Meditation die Gesundheit fördert, den Blutdruck senkt, die Heilung von Wunden fördert und sogar die Konzentrationsfähigkeit verbessert.

Ganz wichtig … Ich will Sie hier von nichts überzeugen, ich berichte nur von meinen persönlichen Erfahrungen und vom derzeitigen Erkenntnisstand der Wissenschaft. Wenn Sie neugierig sind, dann probieren Sie es doch einmal selber aus. Nur Ihre eigene Erfahrung zählt. Viel Spaß damit!

Zurück
Zurück

Wut-Coaching – Verdammt nochmal, wer braucht denn so etwas!!!

Weiter
Weiter

Schmerzmittel, Bewusstheit und Demokratie