Jetzt gib mal Gas! Freie Fahrt für freie Bürger.

 

Mein Vater war ein ziemlicher Raser. Klassisch: Dicker BMW, linke Spur und kräftiger Einsatz von Lichthupe und Blinker, um sich Platz zu verschaffen.

Meine Kindheit
Unsere Urlaubsfahrten als Kind habe ich noch gut in Erinnerung: unser BMW auf der linken Spur, bei 180 Sachen ca. 1 Meter hinter einem „langsamen Blockierer“. Meine Mutter auf dem Beifahrersitz in Panik, mein Vater wiederum total von ihr genervt und meine Schwester und ich auf der Rücksitzbank laut und gelangweilt von der ganzen Fahrt. Manchmal, wenn wir ihn zu sehr nervten, dann hatte er während dieser Manöver obendrein eine Hand frei um nach hinten zu fuchteln, im Versuch uns mit „einem Klaps“ zum Schweigen zu bringen. Und diese Akrobatik wiederum wirkte nicht unbedingt beruhigend auf unsere Mutter. Ein unentspannter Teufelskreis.

Hand aufs Herz: Das war keine Satire, unsere Urlaubsfahrten liefen wirklich so ab – einzige Variante: manchmal lief die ganze Szene nicht bei 180, sondern bei 200 km/h ab.

Freie Fahrt für freie Bürger
In einem hat sich ja nicht wirklich viel geändert in Deutschland. Obwohl es damals schon breit diskutiert wurde, hat es bisher kein Politiker gewagt, die heilige Kuh zu schlachten und ein generelles Tempolimit durchzusetzen. Nicht einmal jetzt, wo sich in der Bevölkerung mehr und mehr Bewusstheit für das Klima entwickelt.

Mein Vater hätte seine Freude …

Die Diskussionen um das generelle Tempolimit sind schon immer sehr emotional und selten rational gewesen. Die Argumente der Gegner drehen sich im Kreis:

  • „Aber die Fliegerei verursacht noch viel mehr Luftverschmutzung“. Egal ob es stimmt oder nicht, das Argument hier lautet, dass es noch schlimmeres gibt. Komisches Argument … sollten wir ab jetzt Stehlen nicht mehr bestrafen, weil es ja schlimmeres wie bspw. Morden gibt?

  • „Ein Tempolimit bringt nicht so viel”. Aber das heißt ja, dass es ETWAS bringt. Und wenn wir das bei jeder Einzelmaßnahme anführen, dann kann sich kein Gesamteffekt von mehreren Einzelmaßnahmen aufaddieren.

  • „Der Effekt auf die Sicherheit ist gar nicht so groß, die Autos sind ja viel sicherer geworden in den letzten Jahren“. Mag stimmen, aber bedeutet das etwa, dass „die nur geringe Reduktion“ von Unfallopfern nicht wichtig ist?

  • „Ich bin ein guter Fahrer, ich habe das Auto auch bei 200 unter Kontrolle.” Lustiges Argument, meistens allerdings völliger Unfug. Unzählige Studien zeigen, dass gerade beim Autofahren Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung oftmals weit auseinanderklaffen. Dunning und Kruger lassen grüßen.

Wie gesagt, viel Emotionen, wenig Ratio.

Aber lassen Sie und das einmal von der anderen Seite her betrachten. Heutzutage ist viel von der Freiheit des Individuums die Rede. Warum sollte man dann überhaupt ein Tempolimit beachten? „Freie Fahrt für freie Bürger”, heißt es ja schon immer.

Das Missverständnis von der Freiheit
Freiheit wird oftmals missverstanden. Freiheit bedeutet nicht, einfach das zu tun, was man will. Freiheit lässt sich nämlich nicht vom Begriff der Verantwortung trennen. Beide gehören zusammen, es sind zwei Seiten derselben Medaille.

Ich mag zwar theoretisch mir die Freiheit herausnehmen, schneller als erlaubt zu fahren, aber ich muss auch die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen. Und diese sind im allgemeinen (und im günstigsten Falle), dass ich eine Strafe zahlen muss oder vielleicht sogar den Führerschein verliere. Warum den Polizisten anjammern, wenn die Regeln bekannt sind?

Ich erinnere mich an einen Verkehrspolizisten, der mich auf der Autobahn herausholte, nachdem ich … hüstel … ein klein wenig zu schnell unterwegs war. Als ich fragte: „Ja, ich war zu schnell, wie viel muss ich zahlen?“ fiel der fast in Ohnmacht. Ich denke, ich war der erste seit einer Ewigkeit, der nichts leugnete oder gar argumentierte. Interessanterweise fiel die Strafe am Ende nicht nur unglaublich gering aus, er entschuldigte sich auch gleich mehrfach, dass er mir zumindest „etwas“ verrechnen müsse.

Freiheit entsteht also durch das Übernehmen von Verantwortung, diese gehören zusammen. Freiheit alleine würde am Ende nur auf reine Rücksichtslosigkeit hinauslaufen.

Freiheit und Bewusstheit
Freiheit gehört auch mit Bewusstheit zusammen. Wir hatten diese Diskussion schon ausgedehnt während der Pandemie. Eine Impfung stellt ja nicht nur eine Maßnahme zum eigenen Wohle dar, sondern auch für das Allgemeinwohl, damit ich das Risiko reduziere, jemanden anzustecken. Genauso ist es beim Schnellfahren.

Wenn also jede:r Bewusstheit in das Thema bringen würde, dann brächten wir keine Regeln. Menschen würden sich dann von selbst an ein angemessenes Tempo halten, damit sie weder andere gefährden, noch die Umwelt unnötig schädigen.

Und Sie so?
Schauen Sie sich einmal Ihr Leben an. Welche Regeln befolgen Sie nur, um einer Strafe zu entgehen oder weil „man das so tut”? Befolgen Sie auch Regeln bzw. Gesetze, weil Ihnen bewusst ist, warum diese Regel existiert? Sind Sie ein bewusster Mensch, der/die auf andere Rücksicht nimmt?

Und vor allem … wie ist das mit IHRER Freiheit und Verantwortung? Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Handeln?

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